Die Biografiearbeit beinhaltet nicht nur die Auflistung von Jahreszahlen und Daten. Sie stellt Ereignisse im Leben der Einzelperson und ihre Erinnerungen – positive wie negative – in den Mittelpunkt. Sie ist ein wichtiges Instrument in der Pflege und Betreuung von älteren Menschen, da die Biografiearbeit in einem professionellen Setting stattfindet und sich die Möglichkeit der Selbstreflexion bietet. Dadurch können ältere Menschen andere Sichtweisen einnehmen und neue Handlungsmöglichkeiten entdecken.

Mit der Einführung der Pflegesoftware SWING in der Stiftung RaJoVita wurde das Thema Biografiearbeit in der Pflege wieder aktuell. Die Stiftung hat deshalb eine Arbeitsgruppe Biografiearbeit gebildet, welche sich aus Mitarbeitenden der Bereiche Tagesstätte, Pflegestation, Pflegewohnung, Drehscheibe, Aktivierung und Spitex zusammensetzt. Sie wurde beauftragt, eine Vorlage zur Erfassung von biografischen Daten zu erstellen. Die Vorlage wurde anschliessend in SWING implementiert und künftig eingesetzt.

Mehr als nur ein Lebenslauf

«Die Biografie ist mehr als nur ein Lebenslauf» schreibt Barbara Kerkhoff in einem Artikel in der Zeitschrift Die Schwester / Der Pfleger (2002). Ein Lebenslauf besteht aus einer Auflistung von Daten und gibt Auskunft darüber, wann und wo sich die betreffende Person aufgehalten hat, beziehungsweise welcher Aktivität sie nachgegangen ist. Er bildet eine Art äusseren Rahmen eines Menschen ab. Der innere Rahmen hingegen, bildet Lebensereignisse ab, die für den Menschen eine besondere Bedeutung hatten.

«Zur Biografie gehört demnach eine Innenseite, die darüber Auskunft gibt, wie dieser Mensch die verschiedenen Lebensereignisse wahrgenommen hat, wie er sie bewertet und in sein Leben einordnet» (Kerkhoff 2002). Jeder Mensch bewertet Ereignisse auf seine ganz persönliche Art und Weise. So kann beispielsweise für eine Person der erste Schultag, Erinnerungen der Freude und Neugierde enthalten, während er für eine andere Person mit Unsicherheit und Angst in Verbindung gebracht wird. Deshalb ist es bei der Biografiearbeit von grosser Wichtigkeit, dass Ereignisse auf ihr Erleben hin beleuchtet werden.

Rosmarie Ruoss – wertvolle neue Aufgabe

Im Folgenden zeigt das Beispiel von Rosmarie Ruoss wie eine Biografie in der Pflege und Betreuung von Menschen im Heim umgesetzt werden kann.

Rosmarie Ruoss lebt seit drei Jahren in der Pflegewohnung Spinnereistrasse. Nach einem unglücklichen Sturz benötigte sie Pflege. So entschied sie sich für einen Umzug in eine Pflegewohnung der Stiftung RaJoVita.

Frau Ruoss wuchs mit zwei Brüdern im Glarnerland auf. Da die Eltern in einer Fabrik arbeiten mussten, wurden die Kinder in einer Krippe untergebracht. Frau Ruoss hat gute Erinnerungen an diese Zeit: Das Leben war zwar einfach, aber glücklich.

Die Familie war sehr musikalisch. Sie habe Zitter und Klavier gespielt. Zur Musik wurde gesungen. Zudem war Handarbeit eine liebe Beschäftigung. Schon als Kind habe sie für das Militär Socken stricken müssen. Sie machte das stets gerne.

Nach Genesung ihrer Verletzung hatte Frau Ruoss wieder Lust, eine Aufgabe in der Pflegewohnung zu übernehmen. Eine Pflegende besprach mit ihr die Möglichkeiten und da sie selbst gerne strickte entstand die Idee, Frau Ruoss könnte «Plätzli» stricken, aus der eine Steppdecke entstand.

Inzwischen sind etliche Decken entstanden. Frau Ruoss strickt fast jeden Tag. Auch hilft sie gerne beim Zusammenfalten der Wäsche. Sie sieht darin eine sinnstiftende Arbeit und entlastet die Pflegenden der Pflegewohnung.